Die große Abnehm-Sprechstunde

Wie erkenne ich, ob bei mir ein medizinisches Problem hinter dem Übergewicht steckt?

Wenn trotz Ernährung und Bewegung keine Abnahme gelingt, lohnt sich der Blick auf mögliche körperliche Ursachen – denn manchmal funkt die Gesundheit dazwischen.

Als Tobias, 46, uns seine Frage schrieb, war seine Verzweiflung spürbar: „Ich habe schon so vieles ausprobiert – Low Carb, Kalorienzählen, mehr Bewegung. Aber ich nehme kaum ab, und wenn, dann nehme ich alles sofort wieder zu. Kann es sein, dass etwas Körperliches dahintersteckt?“

Diese Frage ist wichtig – und sie betrifft mehr Menschen, als man denkt. Während viele beim Thema Übergewicht sofort an Essverhalten und Disziplin denken, wird oft übersehen, dass auch medizinische Ursachen eine Rolle spielen können. Und genau deshalb lohnt es sich, genauer hinzusehen.

Wann sollte ich an eine medizinische Ursache denken?

Natürlich hängt Übergewicht häufig mit Lebensstil, Ernährung und Bewegungsmangel zusammen. Aber es gibt Anzeichen, die darauf hinweisen können, dass noch mehr dahintersteckt. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Plötzliche oder unerklärliche Gewichtszunahme
  • Kein Abnehmerfolg trotz Kaloriendefizit und Bewegung
  • Starke Müdigkeit, Antriebslosigkeit
  • Haarausfall, trockene Haut, depressive Verstimmungen
  • Zyklusstörungen oder Libidoverlust
  • Kalte Hände und Füße trotz warmer Umgebung
  • Wassereinlagerungen und geschwollenes Gesicht

Wenn mehrere dieser Symptome gleichzeitig auftreten, ist es sinnvoll, die gesundheitliche Seite mit ins Boot zu holen.

Mögliche medizinische Ursachen für Übergewicht

Nicht immer ist es eine Frage von Disziplin oder Lebensstil, wenn das Gewicht steigt. Manchmal steckt der Körper selbst dahinter – durch hormonelle Veränderungen, Stoffwechselstörungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Solche Ursachen lassen sich nicht einfach „wegdiäten“, sondern brauchen Verständnis, Geduld und ärztliche Unterstützung. Im Folgenden findest du die wichtigsten körperlichen Gründe, die eine Gewichtszunahme begünstigen können – und Hinweise darauf, wie sie erkannt werden.

1. Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Die Schilddrüse steuert den Stoffwechsel. Bei einer Unterfunktion produziert sie zu wenig Hormone, wodurch der gesamte Energieverbrauch sinkt. Symptome sind unter anderem Gewichtszunahme, Müdigkeit, Verstopfung, depressive Stimmung und Kälteempfinden.

Diagnose: Über eine Blutuntersuchung (TSH, fT3, fT4)

Behandlung: Hormontherapie mit L-Thyroxin – in Absprache mit dem Arzt

2. PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom)

Eine häufige Ursache für Übergewicht bei Frauen im gebärfähigen Alter. Das Hormonungleichgewicht (u. a. erhöhter Testosteronspiegel) führt zu Zyklusstörungen, vermehrter Körperbehaarung und Gewichtszunahme – besonders im Bauchbereich.

Diagnose: Hormonstatus, Ultraschall der Eierstöcke

Behandlung: Lebensstiländerung, manchmal medikamentöse Unterstützung (z. B. Metformin)

3. Insulinresistenz und Prädiabetes

Wenn der Körper nicht mehr gut auf Insulin reagiert, bleibt der Blutzucker hoch – und der Körper speichert mehr Fett, besonders am Bauch. Gleichzeitig wird die Fettverbrennung blockiert. Häufig spüren Betroffene starken Heißhunger, vor allem auf Süßes und Kohlenhydrate.

Diagnose: Nüchternblutzucker, HOMA-Index, HbA1c-Wert

Behandlung: Zuckerarme Ernährung, Bewegung, ggf. medikamentöse Unterstützung

4. Cushing-Syndrom (erhöhtes Cortisolniveau)

Ein Zuviel an Cortisol – z. B. durch eine Störung der Nebenniere – führt zu Gewichtszunahme im Gesicht, Nacken und Rumpf, Muskelschwäche, Hautveränderungen und Stimmungsschwankungen.

Diagnose: Cortisol im Blut/Spucke/Urin, evtl. bildgebende Verfahren

Behandlung: Hängt von der Ursache ab – ärztliche Abklärung zwingend notwendig

5. Hormonelle Umstellungen (Wechseljahre, Andropause, Pille, Schwangerschaft)

Hormonelle Veränderungen beeinflussen den Stoffwechsel, das Hungergefühl und die Fettverteilung. Viele Frauen und Männer berichten in diesen Phasen von unerklärlicher Gewichtszunahme.

Tipp: Nicht immer krankhaft – aber es lohnt sich, Veränderungen bewusst wahrzunehmen und ggf. gegen zu steuern (z. B. durch Krafttraining, Schlafoptimierung, Stressabbau).

6. Psychische Erkrankungen und Medikamente

Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen gehen häufig mit Gewichtsschwankungen einher. Auch Medikamente wie Antidepressiva, Neuroleptika, Betablocker oder Kortison können das Gewicht beeinflussen.

Tipp: Sprich offen mit deinem Arzt – es gibt oft Alternativen oder begleitende Maßnahmen, um Gewichtszunahme abzufedern.

Was du selbst tun kannst, wenn du einen Verdacht hast

Vielleicht hast du beim Lesen gemerkt: Einige der beschriebenen Symptome oder Ursachen kommen dir bekannt vor. Das ist ein erster, wichtiger Schritt. Denn wer vermutet, dass hinter dem eigenen Übergewicht mehr steckt als nur Lebensstilfragen, sollte aktiv werden – aber nicht überstürzt. Was du tun kannst, ist systematisch, ruhig und mit klarem Blick vorzugehen. So erkennst du mögliche körperliche Einflüsse – und findest passende Wege, mit ihnen umzugehen.

1. Symptome beobachten und aufschreiben

Führe über 2–3 Wochen ein einfaches Protokoll: Gewicht, Energielevel, Schlaf, Verdauung, Zyklus (bei Frauen), Stimmung. Notiere auch, wann sich etwas verändert hat – etwa neue Medikamente, eine stressige Phase oder veränderte Essgewohnheiten.

2. Hausarzt oder Facharzt einbeziehen

Bring dein Protokoll zum Arzttermin. Je konkreter du deine Beobachtungen schildern kannst, desto besser kann der Arzt reagieren. Bitte um eine umfassende Blutuntersuchung, die über den Standard hinausgeht.

3. Nicht abspeisen lassen

Leider werden Übergewichtige beim Arztbesuch oft nicht ernst genommen oder vorschnell mit „mehr Bewegung und weniger essen“ vertröstet. Bleib freundlich, aber bestimmt – du kennst deinen Körper am besten.

4. Zusammenhänge verstehen – auch emotional

Medizinische Ursachen sind nicht gleichzusetzen mit „keine Kontrolle“. Es geht nicht um Schuld – sondern um Wissen. Je besser du die Zusammenhänge verstehst, desto leichter fällt dir ein konstruktiver Umgang.

5. Langfristige Lösungen suchen

Wenn wirklich eine körperliche Ursache vorliegt, braucht es oft mehr als eine Diät. Ziel ist nicht kurzfristiger Gewichtsverlust – sondern ein Alltag, der dich stärkt: mit Bewegung, die Spaß macht, Ernährung, die nährt, und Selbstfürsorge, die trägt.

Was Tobias getan hat – und was du daraus mitnehmen kannst

Tobias hat nach unserem Austausch seine Blutwerte checken lassen – mit dem Ergebnis: Eine bislang unentdeckte Schilddrüsenunterfunktion. Mit medikamentöser Unterstützung, einem neuen Trainingsplan und etwas mehr Geduld hat sich sein Gewicht innerhalb von vier Monaten langsam aber stetig verringert. Noch wichtiger: Er fühlt sich wieder fitter, klarer im Kopf und hat das Gefühl, endlich gegen die richtigen Gegner zu kämpfen – und nicht gegen sich selbst.

Fazit: Dein Körper spricht mit dir – hör genau hin

Wenn du das Gefühl hast, dass etwas nicht stimmt – dann nimm dich ernst. Es ist kein Zeichen von Schwäche, medizinische Ursachen in Betracht zu ziehen. Im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Verantwortung und Selbstachtung.

 

Abnehmen ist kein Wettrennen – und erst recht keine Strafe. Es ist ein Weg zurück zu deinem natürlichen Gleichgewicht. Und dieser Weg darf auch durch die Arztpraxis führen – wenn es dir hilft, dich endlich wieder wohlzufühlen in deiner Haut.

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